Höhenkrank und vergiftet:
Cerro de Pasco zwingt mich in die Knie
Cerro de Pasco, hoch oben in den peruanischen Anden, ist kein gewöhnlicher Ort. Auf 4.380 Metern Höhe liegt die Stadt im Herzen eines riesigen Tagebaus – einem silbernen Schlund, der ihre Geschichte und Gegenwart bestimmt. Nach mehr als 400 Jahren ununterbrochenem Bergbau ist die Stadt nicht nur geographisch ein Abgrund, sondern auch ein Symbol für die toxischen Auswirkungen unregulierter Industrialisierung. 2025 ist die Situation dort dramatischer denn je.
Ein Zentrum des Bergbaus und der Zerstörung
Seit der Kolonialzeit wird Cerro de Pasco als Schatzkammer Perus betrachtet. Silber, Zink und Blei – diese Metalle haben die Stadt berühmt gemacht. Doch ihr Preis war hoch. Über die Jahrhunderte hat sich der Tagebau immer weiter in die Stadt hineingefressen. Ganze Stadtviertel mussten dem Abbau weichen, und viele Menschen wurden ohne angemessene Entschädigung umgesiedelt. Heute ist Cerro de Pasco eine Stadt, die buchstäblich in den Minen versinkt.
Umweltverschmutzung: Gift im Wasser, Boden und in der Luft
Die Bergbauaktivitäten haben Cerro de Pasco zu einem der am stärksten verschmutzten Orte der Welt gemacht. Schwermetalle wie Blei, Arsen und Quecksilber verseuchen den Boden, die Luft und das Wasser. Die Auswirkungen sind verheerend:
• Gesundheitliche Schäden: Kinder, die hier aufwachsen, weisen extrem hohe Konzentrationen von Blei im Blut auf. Dies führt zu Entwicklungsverzögerungen, einem verminderten IQ und chronischen Krankheiten. Erwachsene leiden unter Gelenkschmerzen, Nierenschäden und Blutarmut. Schwangere Frauen riskieren Fehlgeburten oder schwere Schäden bei ihren ungeborenen Kindern.
• Umweltzerstörung: Flüsse und Seen in der Region sind untrinkbar, das Land unfruchtbar. Die Landwirtschaft, einst ein wichtiger Wirtschaftszweig, liegt brach.
Nach nur einer Stunde in diesem Gebiet begann mein Körper zu rebellieren. Meine Füße spürte ich kaum noch, Schwindel und starke Übelkeit machten sich breit, und selbst das Atmen wurde zu einer Herausforderung. Ich war nicht der Einzige im Team, der unter diesen Symptomen litt. Anfangs schob ich alles auf die Höhe der Stadt und die berüchtigte Höhenkrankheit. Doch je mehr Zeit wir in Cerro de Pasco verbrachten, desto klarer wurde mir: Es war nicht nur die dünne Luft. Die unsichtbaren, toxischen Gase, die diese Stadt durchziehen, hatten einen weit größeren Einfluss auf mich und mein Team, als wir es uns hätten vorstellen können. Jetzt muss man sich vorstellen wie es ist, in Cerro de pasco zu leben.
Die Nähe zur Mine: Leben am Abgrund
Die Menschen in Cerro de Pasco leben buchstäblich am Rand des riesigen Tagebaus. Staub, der durch den Wind aus den Minen getragen wird, setzt sich auf Häusern, Lebensmitteln und in der Lunge der Bewohner ab. Kinder spielen auf verseuchtem Boden, während Erwachsene ohne ausreichenden Schutz in den Minen arbeiten. Die Nähe zur Mine macht jede Flucht unmöglich – für viele ist sie die einzige Einkommensquelle.
Bleivergiftung: Ein stiller Killer
Blei ist ein Schwermetall, das sich im Körper anreichert und ihn langsam vergiftet. In Cerro de Pasco sind die Bleikonzentrationen in den Böden und Gewässern so hoch, dass die meisten Menschen direkt oder indirekt betroffen sind. Die Symptome reichen von Müdigkeit und Kopfschmerzen bis hin zu dauerhaften neurologischen Schäden und tödlichen Krankheiten. Besonders Kinder tragen die schwersten Lasten – ihre Zukunft wird buchstäblich vergiftet.
Armut, Krankheit und Resignation
In Cerro de Pasco ist die Armut allgegenwärtig. Es fehlt an sauberem Wasser, medizinischer Versorgung und Bildung. Viele Menschen können es sich nicht leisten, die Stadt zu verlassen, selbst wenn ihre Gesundheit schwer beeinträchtigt ist. Kriminalität und soziale Spannungen nehmen zu, während der Staat oft abwesend wirkt. Ein Bewohner beschrieb die Situation so: „Wir leben mit dem Tod in der Luft, im Wasser und im Boden. Aber wir haben keine Wahl.“
Internationale Bemühungen und Versagen
Obwohl NGOs und Wissenschaftler versuchen, Aufmerksamkeit auf die Krise in Cerro de Pasco zu lenken, bleiben die Fortschritte begrenzt. Einige Organisationen, wie Source International, arbeiten daran, Daten über die Umweltverschmutzung zu sammeln und die Rechte der Bewohner zu verteidigen. Doch ihre Ressourcen sind begrenzt, und die Minenbetreiber zeigen oft wenig Interesse an Veränderungen.
Einige Unternehmen haben Pläne vorgestellt, um Abfälle in nachhaltige Energiequellen umzuwandeln, wie beispielsweise grünen Wasserstoff aus Pyrit. Doch diese Projekte scheinen in weiter Ferne zu liegen. Für die Bewohner von Cerro de Pasco ist die Hoffnung auf Veränderung oft nur ein weiterer unerfüllter Traum.
Eine verlassene Stadt: Niemand schaut hin
Cerro de Pasco ist nicht nur eine vergessene Stadt – sie ist ein Symbol für eine globale Krise. Überall auf der Welt werden Gemeinschaften, die von natürlichen Ressourcen abhängig sind, durch unregulierten Abbau zerstört. Doch die Lage in Cerro de Pasco ist besonders extrem. Der Staat hat die Region weitgehend im Stich gelassen, und die Gewinne der Bergbauindustrie fließen ins Ausland, während die Bewohner mit den toxischen Hinterlassenschaften zurückbleiben.
Fazit: Ein Weckruf
Cerro de Pasco ist ein Weckruf für uns alle. Es zeigt, wie Industrialisierung und wirtschaftliche Interessen auf Kosten von Mensch und Umwelt vorangetrieben werden können. Doch es ist auch ein Ort, an dem die Widerstandsfähigkeit der Menschen beeindruckt. Trotz der unmenschlichen Bedingungen kämpfen sie weiter – für ihre Familien, ihre Gesundheit und ihre Heimat.